Zwanzig Tonnen Sand in Vila Real de Santo António und zehn Tonnen Salz in Castro Marim bilden das Fundament für die zwei größten Weihnachtskrippen in Portugal
Wenn Virgínia aus Monchique am Samstag vor dem ersten Advent in den Wald geht und Moos, Korkrinde, Tannenzapfen und Johanniskraut sammelt, denkt sie an ihren Opa. Mit ihm hat sie als Kind den Adventsspaziergang stets gemeinsam unternommen, von ihm hat sie gelernt, was man für eine Krippe im Wohnzimmer und für den Adventskranz alles braucht. Wie Virgínia gehen viele Portugiesen in den Wald und sammeln für die heimische Krippe im Wohnzimmer dies und das. Denn ohne Krippe kein Weihnachtsfest, lautet das Credo und so leuchtet ab dem ersten Advent in jeder Wohnstube in Portugal ein Kerzchen in einer liebevoll gestalteten Krippe mit winzigen Figuren dekoriert und mit dem Stern von Bethlehem gekrönt.
Überall ein Weihnachtsgefühl und Tradition
In den örtlichen Kapellen, Kirchen, Gemeindezentren, auf einer Kreisverkehrsinsel, auf dem Dorfplatz, vor dem Rathaus oder am Ortseingang werden heiße Holzhütten mit Krippenfiguren bestückt und mit Lichterketten geschmückt, die Weihnachtszeit sei willkommen und beleuchten den Weg bis Heiligabend und weiter bis zum Heilige Drei Königstag. Alle Jahre wieder entstehen mit vereinter Kraft wahre Krippenkunstwerke. Auf der Straße in Alferce in Monchique begegnet man lebensgroßen Puppen, verkleidet zum Beispiel als die drei Heiligen Könige unterwegs mit aus flicken ausgestopftem Kamel und Esel; im Landkreis Lagoa erwarten Pantomime-Künstler schaulustige als sogenannte Estatuas Vivas. Überall wartet der Weihnachtsmann mit Hohoho, rotem Rock und Zipfelmütze, liest Kindern Weihnachtsgeschichten vor oder zeigt Zauberstückchen.
Der Höhepunkt der Weihnachtskrippentradition in Portugal ist der Tausch der Figuren. Die schwangere Heilige Jungfrau Maria der unbefleckten Empfängnis auf dem Esel wird am Heiligabend gegen das Christkind und die mit Stroh gefüllte Krippe ausgetauscht. Damit zelebriert die Familie daheim oder die Gemeinde gemeinsam in der Pfarrkirche die Geburt des Christkinds und erneuert gleichzeitig den Glauben an die Unsterblichkeit der Liebe. Jede Familie bewahrt ihr eigenes Christkind zu Hause auf, geschnitzt aus Holz, modelliert aus Ton oder genäht aus Flicken, bekleidet mit einem einfachen weißen Leinenleibchen, findet es an Heiligabend seinen Platz in der Krippe und wird traditionell von allen Familienangehörigen mit einem Kuss auf die Stirn begrüßt. Rundherum drapiert man Orangenfrüchte und sattgrüne frische Weizenkeimlinge als Bitte für das tägliche Brot und für familiäres Wohlergehen.
Weihnachtskrippen an der Algarve
Die Algarve überrascht ihre Besucher ab Anfang Dezember alle Jahre wieder mit den prächtig gestalteten Weihnachtskrippen – und zwei sind dabei ganz besonders. Wer zwischen dem Nikolaustag am 6. Dezember und dem Heilige Drei Könige Tag am 6. Januar an der Algarve weilt, kann neben zahlreichen lokalen Krippen die Krippe Presépio gigante in Vila Real de Santo António besuchen. Die mit über 5000 Figuren bestückte Ausstellung ist die größte Weihnachtskrippe Portugals.
Zum 17. Mal eröffnen die Stadtväter heuer ihre nachgeahmte heilige Stadt und laden Besucher ein in die ehemalige Markthalle und heutiges Kulturzentrum António Aleixo, um die 220 m² große Ausstellung zu besuchen. Zwanzig Tonnen Sand, vier Tonnen Quarzsand und 2500 Kilogramm Kork bilden die Basis für die Riesenkrippe. Allein für ihren Aufbau sind fünf Handwerker zwei Monate lang beschäftigt, bis das letzte Lämpchen montiert ist, der letzte Hügel in Miniaturausgabe errichtet, und das letzte Stück Moos und Kork an der richtigen Stelle liegt. In der letzten Saison zählten die Aussteller über 30.000 Besucher. Ein Rekord. Für die jüngste Stadt in der Lokalgeschichte der Algarve, vom Herzog Marquês de Pombal gegründet, geplant und erbaut nach dem Erdbeben 1755 während der königlichen Ägide von König D. José I, ist die Presépio gigante Krippe ein echtes Aushängeschild. Vier Türmchen mit grüner Kuppel ragen über die Walmdachlandschaft im Zentrum von Vila Real de Santo António hinaus und weisen dem Besucher den Weg zum Eingang in die weihnachtliche Wunderwelt. Die ehemalige Markthalle ist nachtblau gestrichen und beleuchtet mit hunderten winzigen Glühbirnchen. Alles leuchtet blau wie in einer Vollmondnacht unter sternenklarem Himmel. Hier bleibt die Wirklichkeit ausgesperrt.
Die Weihnachtskrippe von Castro Marim
Kaum fünf Minuten Autofahrt entfernt, erreicht man die zweite Grenzstadt der Algarve, Castro Marim, und stößt auf eine zweite außergewöhnliche Weihnachtskrippe. Die Straße von Vila Real de Santo António nach Castro Marim führt mitten durch die Salzmarschen am Guadiana Ufer. Die Nähe zur Grenze zwischen Portugal und Spanien, die zwei Burgfeste und die Meersalzsalinen rund um den mittelalterlichen Ort herum angelegt, verraten auf den ersten Blick die einstige Bedeutung der alten Ritterfeste.
Castro Marim, die Salzhauptstadt der Algarve, einstiges Machtzentrum des Santiago Ritterordens und später der portugiesischen Christus Ritter, steht mit zwei Bastionen auf einem Hügel, wie eine Insel inmitten der Marsch umgeben von Meersalzsalinen. In einem original restaurierten ehemaligen Salzhaus Casa do Sal, ist das Salzmuseum von Castro Marim untergebracht und dokumentiert die historische Entwicklung der Salzgewinnung sowie die spannende Biografie der ortsansässigen Salzbarone. Eine bessere Umgebung für die zweite einzigartige Weihnachtskrippe von Portugal kann man sich nicht vorstellen. Für die Salzkrippe. Das Salzhaus glitzert wie eine Schatztruhe. Der Schritt über die Schwelle gewährt Eintritt in eine verzaubernde Welt aus Meersalz. Die ausgestreuten Salzkristalle leuchten wie Schneeflocken. Die Krippenkulisse strahlt weiß, als habe es eben gerade erst frisch geschneit. Damit die Salzkristalle nicht verkleben, ist es kühl im Salzhaus und die winterliche Temperatur sorgt somit doppelt für richtig dufte Weihnachtsstimmung.
Jetzt fehlen nur noch Pai Natal und sein Rentierschlitten. Feliz Natal e um bom ano novo!