“Von Fátima aus solltest du auch noch weiter bis nach Tomar fahren. Das lohnt sich!”, rät mir meine Pensionswirtin bei der Tagesausflugs-Planung am Frühstückstisch. Wohin? Tomar? Um ehrlich zu sein hatte ich von diesem Städtchen in Zentralportugal noch nie zuvor gehört. Dass das eine echte Wissenslücke war, weiß ich nun. Denn ich habe Tomar besucht und dieser Besuch hat sich für mich als größte positive Entdeckung meines Urlaubes herausgestellt!
Ein Blick auf die Landkarte verrät mir: Die Kleinstadt Tomar ist rund 40 Kilometer westlich vom Wallfahrtsort Fátima gelegen. Eine kurze Internetrecherche klärt weiter auf: Hauptsehenswürdigkeit Tomars ist das auf einem Festungsberg gelegene, zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Kloster. Im 12. Jahrhundert wurde es zunächst vom Templerorden erbaut. Rund 150 Jahre später, nach der Auflösung der Templer, ging es an den Christusorden über. Tomar gehört außerdem zu einem Bund an historisch bedeutenden jüdischen Gemeinden, der “Rede de Judiarias”. Und in Tomar kann man angeblich besonders schöne portugiesische Pflasterkunst bestaunen. Klingt nach viel Kultur und einer bewegten Geschichte – meine Neugier ist geweckt!
Nach der Besichtigung von Fátima steuere ich also Tomar an. Der Weg führt über gut ausgebaute, wenig befahrene Schnellstraßen. Nach rund 40 Minuten komme ich in Tomar an und finde am Flussufer direkt einen (zwar kostenpflichtigen, aber günstigen) Parkplatz. Ich biege in eine hübsch gepflasterte Altstadtgasse ein und habe auf Anhieb einen positiven Eindruck: schöne kleine Lädchen, nette Cafés, kein Touristenrummel (eigentlich also das genaue Gegenteil von Fátima…).
Ein Platz wie aus dem (portugiesischen) Bilderbuch
Nach ein paarhundert Metern taucht auf der linken Seite eine Kirche auf (Igreja de São João Baptista) und die Gasse öffnet sich hin zu einem großen Platz. Und dieser Platz – die Praça da república – ist einfach genau so, wie man sich einen portugiesischen Platz in einer Stadtmitte vorstellt: Ein Rathaus, eine Kirche, mehrere Cafés und Bars in denen Portugiesen unter schattenspendenden Superbock-Sonnenschirmen Zeitung lesen, und mittendrin eine große Statue auf schwarz-weiß gemustertem Pflaster. Dazu verträumte Akkordeonklänge eines Strassenmusikers.
Ein perfekter Ort also zum Verweilen bzw. Einnehmen eines zweiten Kaffees mitsamt einer Pasteis de Nata. Und erst dabei fällt mein Blick auf den Hügel, der hinter der Westseite des Platzes emporragt und auf dessen Kuppe ich die Festungsanlage erkennen kann. Dort muss ich also hoch!
Rundgang durch die grüne Burganlage von Tomar
Über eine Treppe erreiche ich den Weg, der in wenigen Serpentinen und rund zehn Gehminuten hoch bis zum Eingang der Festungsanlage führt. Dort bin ich ein weiteres Mal positiv überrascht, denn der Besuch der gesamten Festungsanlage ist gratis. Ich trete ein und bin auf Anhieb verzaubert von dem Anblick der sich mir dort bietet: eine wunderschöne, üppig blühende und gleichzeitig leicht wild anmutende, riesige Parklandschaft. Eingefasst von imposanten Festungsmauern, gespickt mit vermoosten Säulen und Ruinen-Resten und überragt vom eindrucksvollen Klostergebäude. Und das Überraschendste daran: ich scheine auf dem riesigen Areal ganz alleine zu sein. Ich sehe und höre in den nächsten 10 Minuten niemanden, so dass ich mir zwar nicht vorkomme wie in einer anderen Welt, aber zumindest wie an einem verwunschenen Lost Place. Ein Rundweg auf der Festungsmauer (ich bin froh über meine festen Schuhe, denn der Weg ist uneben und holprig) entlang gibt die Sicht frei auf das Stadtpanorama von Tomar. Ich entdecke von hier oben die schöne Praça da república und das Café, in dem ich vor wenigen Minuten noch gesessen habe.
An üppig behangenen Orangenbäumen, uralten Olivenbäumen und leuchtend blühenden Sträuchern vorbei führt mich der Weg hin zu einem Wegweiser: “Entrada Mosteiro”. Und dort, hinter einer Pforte, hat mich die Zivilisation wieder – Ich stehe in einer Eingangshalle, in der ein Pförtner hinter einem Schreibtisch sitzt und mich darauf aufmerksam macht, dass der Besuch des Klostergebäudes ab hier Eintritt kostet. Ich kaufe also ein Ticket (6€) und versuche mir seine kurzen Erläuterungen auf dem Kloster-Plan einzuprägen.
Eintauchen in die Welt der Tempelritter und -mönche
Ich starte die Besichtigung der ersten Säle, Kapellen, Kreuzgänge (insgesamt gibt es hier acht Kreuzgänge!), Innenhöfe, ein berühmtes manuelinisch verziertes Fenster, … und verliere ganz schnell die Orientierung. Es ist sooo riesig und eindrucksvoll! Also lasse ich mich ziellos durch die jahrhundertealten, geschichtsträchtigen Gemäuer treiben und komme aus dem Staunen und Fotografieren kaum raus. Was für einen tollen Eindruck man hier erhält vom Leben im Ritterorden! Und zwar nicht, weil es so viele Schautafeln und Erklärungen gibt. Im Gegenteil. Die Erklärungen sind spärlich und die meisten Räume sind komplett leer. Dafür kann man hier die ganz besondere, geschichtsträchtige Atmosphäre und Stimmung aufsaugen. Vermutlich auch deshalb, weil ich, aufgrund der Nebensaison, auch im Innern der Burganlage nur sehr wenige Besucher antreffe. In der Hauptsaison mag das etwas anders aussehen…
Nach rund zwei Stunden habe ich zwar den Eindruck, immer noch nicht alles gesehen zu haben. Aber meine Füße tun weh und ich kann nichts mehr aufnehmen. Also begebe ich mich wieder bergabwärts in die gemütliche Altstadt von Tomar und lasse dort die Eindrücke bei einem verspäteten Mittagessen sacken. Ich spaziere anschließend noch durch die hübsche Innenstadt, bevor ich den Heimweg Richtung Küste antrete.
Was für ein absolut sehenswertes Highlight im Portugalurlaub, dieses kleine und viel zu unbekannte Städtchen Tomar!
Übernachten in Tomar
Wer seinen Besuch in Tomar noch etwas ausdehnen oder innerhalb einer Rundreise integrieren möchte, dem sei das Hotel dos Templários **** empfohlen. Das Haus überzeugt mit einem herrlichen Panoramablick auf Stadt- und Bergkulisse und ist inmitten eines hoteleigenen Parks gelegen. Bis in die Altstadt sind es nur wenige Gehminuten.