Madrid hat alles: Prachtboulevards zwischen schattigen Gassen unter schmiedeeisernen Balkonen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, Art-Déco-Bauten, Hochhäuser wie im New York der 20er Jahre, ein Viertel der Literaten, in dem die Gedichte auf der Straße glitzern, grandiose Kunstsammlungen und Quartiere, in denen die Menschen ihre gemeinsame Zukunft in die Hand nehmen.
„Hat jemand eine Knoblauchallergie?“, fragt Javier lachend ein Häuflein deutscher Touristen dort auf der Plaza Santa Ana. Im Hintergrund leuchtet blütenweiß das 100jährige Luxushotel Reina Victoria, gegenüber das Teatro Español, Europas ältestes noch bespieltes Theater. Scharen von Nachtschwärmern ziehen über das Kopfsteinpflaster in die Bars und Kneipen des Ausgehviertels.
Javier startet hier seine deutschsprachigen Tapas-Touren durch die Madrider Altstadt. „Wir Einheimischen sind wie Kakerlaken“, erzählt der Mittdreißiger lachend. „Wir gehen dahin, wo es dunkel ist“. In den sonnigen Straßencafés auf den großen Plätzen säßen vor allem Touristen.
„Hay raciones“, etwa „Portionen“, steht an fest jeder Bar am Eingang. „Niemand bestellt Tapas. Die gibt es automatisch zum Getränk“, erklärt Javier. Entstanden ist die Tradition angeblich im 16. Jahrhundert, als mit dem habsburgischen Königshof das Gefolge in die neue Hauptstadt kam. Sie verlangten Bier. Weil es das nicht gab, tranken sie schweren spanischen Wein. Als die Wirte genug von betrunkenen Höflinge hatten, legten sie ihnen belegte Brote als Deckel (Tapa) auf die Gläser. So hofften sie, dass die Herrschaften länger nüchtern und friedlich blieben.
„Gute Bars erkennst Du am Müll auf dem Boden“, erklärt Javier und liefert gleich den Beleg. „La Case del Abuelo“, das Haus des Großvaters, hat angeblich die besten Gambas con Ajillo, in Öl und frischem Knoblauch gebackene Garnelen. Unter den Barhockern liegen Papierservietten und Zahnstocher, obwohl der Wirt zwei Papierkörbe dafür aufgestellt hat. Viel Abfall, reichlich Gäste, gutes Essen, so die Logik der einheimischen Madrileños.
Die Wurzeln im Himmel
In der Hauptstadt verschmelzen die Kulturen des Landes. Die meisten Bewohner sind in den 50er, 60er und 70er Jahren zugewandert. Ein Teil von ihnen wohnt in Lavapiés. Hier gedeihen zahlreiche Welten, manche nebeneinander, viele miteinander: Chinesische, pakistanische, westafrikanische und türkische Imbissbuden, alternative Cafés, uralte Kneipe und wohnstubenkleine Lebensmittelgeschäfte, die aus anderen Städten längst verschwunden sind.
Monica arbeitet für eine Konzertagentur. Dazu singt sie, tritt als Tänzerin auf und entwickelt mit Künstler-Kollegen aus Lavapiés Performance-Stücke. Auf der Terrasse des Café Baobab bestellen die ersten Gäste ihren Kaffee oder eine Caña, ein Bierchen. An die Fassade des Hauses haben die Wirte einen Baobab-Baum gezeichnet. „Schau“, sagt Monica „der hat die Wurzeln im Himmel, wie wir.“
Mutige Patchwork-Existenzgründer
Wer keinen Job findet, schafft sich einen oder versucht es zumindest: Architekten, die Stadtführungen anbieten, ein ehemaliger Vodafone-Manager, der eine Kochschule eröffnet oder die Kulturbegeisterten, die das Teatro del Barrio gegründet haben. Das Stadtteil-Theater trägt Kultur in die Nachbarschaft: Eigenproduktionen, Theaterworkshops, Gastspiele und eine eigene Universität. Montags und dienstags holt es Wissenschaftler zu kostenlosen Diskussionsabenden in seine Räume. Es geht um Politik, Wirtschaft, Naturwissenschaften, oft um Themen, „über die man sonst nicht so gerne spricht“: die Aufarbeitung der Franco-Diktatur oder das Königshaus. Entstanden ist übrigens auch die Bewegung, die Spanien verändert hat: Podemos lud 2011 zu einer ihrer ersten Versammlungen ins Teatro del Barrio.
OLIMAR Tipps
Übernachten:
Senator Gran Vía 70****: Absolut zentral an der oberen Gran Vía nahe der monumentalen Plaza de España liegt dieses Hotel. Es bietet Ihnen gemütlich-komfortable Zimmer, einen fantasievoll gestalteten Spa-Bereich sowie in den Sommermonaten eine Panorama-Dachterrasse mit kleinem Pool.
Hotel Barceló Torre de Madrid*****: Das Designhotel liegt zentral an der Plaza de España in einem modernen Wahrzeichen der Stadt: dem 1960 eingeweihten Hochhaus Torre de Madrid. Die Unterkunft bietet einen grandiosen Blick auf die Gran Vía und trägt die Handschrift des international preisgekrönten Künstlers und Designers Jaime Hayon. Das Hotel zeichnet sich durch einen schönen Fitness- und Wellnessbereich sowie ein vorzügliches gastronomisches Angebot aus.
Tapas essen:
Casa de Abuelo (Calle Toledo 11): Als legendär gelten die Gambas con Ajillo (Garnelen in einer Ölsoße mit reichlich Knoblauch gebacken). lacasadelabuelo.es
El Lacón (Calle de Manuel Fernández y González, 8): Große Auswahl an Tapas. mesonellacon.com
Madrid Card: Kostenloser Eintritt in viele Museen und Rabatte in zahlreichen Restaurants und weitere Vorteile. madridcard.com
Grandiose Aussicht über die Gran Via und die Innenstadt bietet die Terrasse des Restaurants und Lounge-Bar im Circolo de Bellas Artes, Calle de Alcalá 42, Tel. +34 913 605400, circulobellasartes.com, vorher besser reservieren
Kultur-Cafe de Gijón (Paseo de Recoletos, 21): Schon wegen der Inneneinrichtung aus dem 19. Jahrhundert und den Philosophen-Literatenrunden, den Tertulias, sollte man sich diese Bar von 1888 nicht entgehen lassen. cafegijon.com
Einkaufen:
Schickes und Teures findet sich im Nobelviertel Salamanca, hippe ausgefallene Läden bieten die Stadtteile Malasaña und Chueca, zum Beispiel die Calle de Fuencarral oder die Plaza de Chueca mit ihren alternativen und Szene-Läden.
Märkte:
El Rastro: einer der größten Flohmärkte Europas jeden Sonntag bis zum frühen Nachmittag zwischen Embajadores, Plaza de Cascorro und Mercado de la Ribera.
Mercado de San Miguel (nahe Plaza Mayor, Plaza de San Miguel): Schick und neugestaltet hinter Glas mit zahlreichen Tapas-Probiermöglichkeiten
Mercado San Fernando (Plaza Lavapiés / Calle Embajadores): Preisgünstig, sehr entspannt, wenig touristisch mit einigen Bio- und Vegan-Ständen, viele junge Leute.
Nebenan findet sich das Germinando, ein genossenschaftlich organisiertes Zentrum für Bio-Landwirtschaft und Gemüsebau mit Saatgut, frischem Obst und Gemüse und Bio-Gartenbaukursen, Calle Tribulete 25, germinando.es.
Weitere Infos:
Tipps zu Kneipen, Bars, Restaurants, Kulturveranstaltungen und mehr madriddiferente.com