Die Landschaft in Portugals Alentejo mit den sanft hügeligen Montes ist weltweit einzigartig und beschert den Bauern der Region ein fertiles Öko-System für Landwirtschaft und Viehzucht.
Die Piste zum Monte von Senhor José Luis windet sich kurvenreich vorbei an sanften, bauchig rund gewölbten Hügeln. Weitflächig krümmen sich Weinranken aneinander, als hielten sie sich an Armen fest. Silbergrün zittert Olivenlaub im Wind. Die schmalen Blätter abertausender Ölbäume malen weiche Wellen an den Hängen hinauf und hinab. Die Erde dazwischen glänzt kräftig Tonerden. Der Duft nach feuchter Erde betört die Luft.
Auf den leuchtend grünen Wildkräuterweiden tupfen Veilchen, Gänseblümchen, Sauerampfer und Kleeblumen das Stachelbeergrün der Getreidehalme bunt. Zartlila. Zitronenfaltergelb. Rostrot und schneeweiß. Auf Strommasten bauen Storchenpaare ihre Horste, schleppen Zweig für Zweig durch die Luft in die künftige Storchenwiege. Vereinzelt bimmelt es von Weither, ein Hirte und seine Schafherde ziehen vorbei, die Chocalhos Glöckchen ihrer Leittiere tönen blechern. Knorrige Korkeichen breiten ihr Geäst aus wie Schirme über Weiden und Felder, spenden den Weidetieren während der sengenden Mittagshitze Schatten in Nachbarschaft mit Steineichen. Ein Adlerpaar tanzt den Balztanz der Lüfte. Ein paar Krähen schimpfen streithalsig um einen Leckerbissen.
Alentejo, ein einzigartiges Kleinod der Natur. Idyllisch. Friedlich. Und doch immens emsig. Von früh bis spät kümmern sich Bauern, Landwirte und Viehzüchter darum, dass ihre Landschaft so gesund und nachhaltig bleibt wie sie ist, und hegen und pflegen Felder, Weiden und Hügel, wie eh und je.
Senhor José Luis öffnet das Tor, gewährt Eintritt, schließt es wieder. Zehn Minuten Fahrt über holprige Piste später erreichen wir das Ziel. Den Monte der Familie Cravinho mit der modern angelegte Offenstallanlage auf der Hügelkuppe. Ruhig ist es hier oben. Bis ein fremdes Geräusch die Ruhe stört. Der Wachhund am Stall hebt den Kopf, seine Nase witternd in die Luft gestellt. Das typische Knattern eines Zweitaktmotors hallt herüber. Auf der Weide taucht jedoch kein Zweirad, sondern ein Vierbeiner auf.
Ein Eber. Er grunzt und tönt in einem fort wie ein verrußter Moped Motor und rennt aufgeregt durch das Gelände. Durchaus elegant mit seinen gut und gerne 150 Kilogramm Lebendgewicht. Sein Fell glänzt schmutziggrau, eingestaubt bis zum Rüssel ist er – und allein. Das regt ihn auf. Er ist ungern allein.
“Seine Herde hat er vermutlich beim Schlammbaden verloren”, sinniert Senhor José Luís. “Jetzt sucht er sie. Das laute Grunzen sollen die anderen hören und zu ihm leiten.” Und tatsächlich. Von der anderen Seite des Hügels hört man einen echten Grunz Chor und kurz darauf traben eine stattliche Anzahl Säue und ihre Ferkel über die Kuppe den Hang hinunter.
Der Eber bleibt stehen. Seine Ohren aufgestellt. Sein Leib bläht sich auf. Seine Familie ist im Anmarsch. Schließlich ist er nicht irgendein Eber. Er ist ein Porco Preto. Ein Rasse-Schwein. Ein preisgekrönter Eber, der den anderen Ebern auf jeder Landesschau die Show stiehlt und überall Prämien abräumt. Ein reinrassiges Schwarzes Schwein mit Stammbaum, Erkennungsmarke und Mikrochip. Er ist der Zucht Eber der Cravinhos- und ihr ganzer Stolz.
Besuch in einer Schweine-Zucht im Alentejo
Die Casa O Cravinho ist ein Familienbetrieb mit drei Geschäftsbereichen, Zucht, Fleischverarbeitung mit ab-Hof-Verkauf und Gaststätte. Alles in einer Hand. Sohn, Tochter, Schwiegersohn, alle arbeiten sie mit. Das urige Lokal mit der Räucherei und dem „Schinkentresor“, in dem die leckeren Porco Preto Köstlichkeiten reifen, liegt direkt an der Nationalstraße N 122 im Dorfweiler Vale Açor de Baixo, zwischen Mértola und Beja im Vale Guadiana Naturpark im Baixo Alentejo. Ehefrau María Célia führt das Café mit Hofladen seit dreiunddreißig Jahren.
Holzofenbrot, großzügig mit von Hand geschnittenem Schinken vom Schwarzen Schwein belegt, stillt den Appetit von Bauern, Handwerkern und Durchfahrenden, dazu gibt es Wein von einem nahegelegenen Weingut. Pikante Salami Linguiça, rohe Blutwurst Chouriça de Sangue, geräuchertes Filet Naco de Lombo, oder Nacken Paiola de Cachaço und die kräftige Paprikawurst Salpicão sind weitere kulinarische Delikatessen vom zuchteigenen Schwarzen Schwein, die man bei Dona Maria Célia kaufen und kosten kann. Die nach einem alten Familienrezept warm geräucherten Enchidos Würste in der üppig bestückten Vitrine verströmen einen appetitlichen Duft von Lorbeer, Anis, Knoblauch und Pfeffer.
Neben der Vitrine hängt eine dunkelrote, mit Fettfasern zart marmorierte, zwölf bis 24 Monate lang behutsam im Schinkentresor gereifte, schlanke Keule in ihrem Gestell, darunter griffbereit das scharfe Messer mit schmaler Klinge auf dem Schneidebrett. Die frisch geschnittenen Scheibchen Schinken schmiegen sich weich an den Gaumen, nach und nach entfaltet sich das nussig würzige Eigenaroma des Porco Preto auf der Zunge. Man wägt sich im Schinkenhimmel.
Die Porco Preto Hausmacher-Wurstfabrik >O Cravinho< ist ein Geheimtipp und Senhor José Luis berühmt für sein kulinarisches Talent, jedes Enchido anders lecker zu würzen, sowie bekannt für seine Geduld, den 14-16 Kilogramm schweren Schinken Keulen bis zur optimalen Reife beim Lufttrocknen zuzuschauen. Paiola und Salpicão sind immer schon gleich ausverkauft, denn Senhor José Luis delikates Sortiment ist bewusst limitiert. Obwohl die Nachfrage nach dem bekömmlichen Fleisch der gesetzlich vorgeschriebenen und streng kontrollierten artgerecht gehaltenen Schweinerasse, beständig wächst. Das liegt natürlich am exquisiten Geschmack aber genauso an der gesunden Struktur des Fleisches. Trotzdem strebt Familie Cravinho keine Vergrößerung ihres Betriebes an und nennt kaufmännische und ideelle Gründe für diese Entscheidung: “Unter ideellen Gesichtspunkten betrachtet, macht eine Vergrößerung keinen Sinn, wir möchten die Jahrhunderte alte Nachhaltigkeit unserer Montes bewahren und nicht der Gewinnoptimierung opfern. Unsere Rendite reicht uns für eine solide Existenz“, erklärt Senhor José Luís.
„Nur wenn unsere Porco Preto auch künftig artgerecht gehalten freilaufen und sich aus ihrem genuinen Umfeld gesund ernähren, bleiben Fleisch und Fett so gesund wie bisher, die Blutlinie unserer Schwarzen Schweine rein, und mein Name ein Gütesiegel. Als Landwirt kann man sein Land nicht einfach eigennützig ausbeuten, man muss es hegen und pflegen, ja, man muss es lieben, wie ein Kind, damit die Kindeskinder in Zukunft in diesem Land genauso frei und unbeschwert leben und davon existieren können.“
Eine simple Lebenswahrheit, gesprochen von einem bodenständigen Unternehmer. Bom Appetite!