Mit einem riesigen Volksfest feiert Palermo auf Sizilien Jahr für Jahr seine Stadtpatronin, die Heilige Rosalia. Sie war die Nichte eines Normannenkönigs, die als Einsiedlerin hoch oben auf dem Monte Pellegrino lebte, Palermos Hausberg. Anno 1624 entdeckte ein Jäger dort ihre Gebeine, brachte sie in die Stadt und besiegte so angeblich die Pest. Ein Grund zum Feiern also!
Rosalias Festtag ist der 15. Juli, wenn öffentliche Gebäude, Schulen und Geschäfte geschlossen bleiben. Morgens ist die Stadt wie ausgestorben, trifft man die Sizilianer beim Baden am Meer. Einige auch auf dem Monte Pellegrino, den schon Goethe während seiner italienischen Reise sprachlos machte. „Seine schöne Form“, notierte er 1787 in seinem Tagebuch, „lässt sich mit Worten nicht beschreiben…“ Heute führt eine breite Straße auf den Gipfel. Vorbei am Santuario, der alten Höhle, in der Rosalia einst gelebt haben soll. Ein feucht-kalter Chorraum, von dessen felsigen Wänden Wasser tropft. Ein Hort der Stille, den auch Goethe beeindruckte:
„Der Andachtsort selbst ist der Demut der Heiligen, welche sich dahin flüchteten, angemessener als die prächtigen Feste, welche man ihrer völligen Entäußerung von der Welt zu Ehren anstellte. Und vielleicht hat die ganze Christenheit keinen heiligen Ort aufzuweisen, der auf eine so unschuldige und gefühlvolle Art verziert und verehrt wäre…“
Von des Dichters Loblied zehrt die Höhle bis heute.
Und noch immer drängen sich die Wallfahrer um den gläsernen Sarg in ihrer Mitte, in dem wie zu Goethes Zeiten ein „schönes Frauenzimmer“ liegt. So wie die Frau im Sarg stellen sich die meisten Sizilianer Palermos Schutzheilige auch heute noch vor. Als junge Schönheit mit einem Kranz voller Rosen auf dem Kopf, in den Händen ein Kreuz und einen Totenkopf.
In dieser Gestalt begegnet man ihr auch am späten Nachmittag des 15.Juli, wenn die Bürger bei der großen Prozession zu Ehren Rosalias dem silbernen Schrein Geleit geben. Den Gebeinen der Santuzza,wie sie ihre Stadtpatronin liebevoll nennen. Viel weiß man nicht über sie. Wahrscheinlich war sie Basilianernonne, lebte nach den strengen Regeln des griechischen Kirchenlehrers Basilius. Populär aber wurde sie erst nach der Überführung ihrer Gebeine vom Monte Pellegrino in die Kathedrale Palermos. Jenem Akt, dem die Sizilianer auch die Überwindung der damals grassierenden Pest zuschrieben.
Seit dem 15.Juli 1624 jedenfalls feiert Palermo seine Schutzherrin Jahr für Jahr mit großer Prozession. Und wie immer steht der 1631 gefertigte Silberschrein im Mittelpunkt. Ein barockes Prunkstück, das zwei Dutzend Männer im dunklen Anzug und dezenter Krawatte auf ihren Schultern durch die Stadt schaukeln. Begleitet vom Kardinal und vielen Klerikern, von vielen Tausend Sizilianern, die zum Teil auch am 3. September wieder dabei sind, wenn es im Fackelzug zu Rosalias Geburtstagsfeier auf den Monte Pellegrino geht. Zu ihrer Höhle, der Goethe literarischen Weltruhm verschaffte.
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