Es ist ein heißer Tag. Die Fischerboote am spanischen Atlantik glitzern in der Sonne. Nacho und ich sitzen an einem Metalltisch der Hafentaverne von O Grove in Galicien, Nordspanien, genießen den Ausblick und erst Recht die Schwertmuscheln. Einen einfachen, leichten Ribeiro-Weißwein hat er dazu bestellt. Wunderbar.
Nacho Bretal ist einer der bekanntesten Köche im nordwestspanischen Galicien, sein Restaurant Eirado da Leña in Pontevedra preisgekrönt.
Dennoch ist ihm das nicht zu Kopf gestiegen. So sind sie alle, die spanischen Köche. Von Dani Garcia in Andalusien über Paco Roncero in Madrid bis hin zum kahlköpfigen Nacho hier ganz weit im Nordwesten. Sie lassen mich in die Kochtöpfe gucken und verraten mir sogar das ein oder andere Rezept für ihre kulinarischen Spezialitäten. Bravo cocineros!
Puristen der Paella
In Navarra lieben sie Spargel, in der Extremadura den flüssigen Schafkäse Torta de Casar, in Katalonien Fuet-Würste, in Andalusien Gazpacho und überall im Land Paella. Doch nur in Valencia, sagen die Valencianer, ist die Paella echt. Wer bitte schnibbelt denn Hühnerfleisch und Schweineragout in die Reispfanne? Oder nutzt Gelbwurz statt Safran? Pfui, horrible!
Die Puristen vom Mittelmeer haben eine passende Antwort gefunden: wikipaella.org. Denn die Welt soll wissen: Kaninchenfleisch ist richtig, alles andere gehört sich einfach nicht. Das ist gut gemeint, doch kaum ein Spanier hält sich daran. Basken lieben nun mal ihren Thunfisch, Asturier ihren Seeteufel, Kastilier ihre Spanferkel Cochinillo. Und so gibt es landesweit mehr Paella-Varianten als Reiskörner in einer XXL Pfanne.
Tapas, die Klassiker an der Bar
Das Land ist Vielfalt pur, Sevilla so weit von San Sebastián entfernt wie die Hansestädte von Niederbayern. Und entsprechend sind auch die Tapas sehr variabel. An der andalusischen Küste servieren die Kellner gerne Gambas, in Murcia Paprikawürstchen, in Madrid selbstgemachte Chips und Moreno-Spieße, in Oviedo kleine Stücke Blauschimmelkäse zum Sidra-Apfelwein.
Doch keine spanische Stadt ist so berühmt für seine Häppchen wie León am Jakobsweg. Dort im Barrio Humedo (Feuchtes Viertel/ Ausgehviertel) der Studentenstadt haben die Kultbars mit Namen Lorenzo, Flechazo und Latino die angeblich besten Kroketten der Welt.
Kurios: Die Beilagen zum Wein oder Bier bieten sie dort noch gratis an, was längst nicht mehr selbstverständlich ist. Vor allem nicht in touristischen Hochburgen wie Barcelona, Granada und Palma de Mallorca.
Nacho bestellt noch eine Platte Seekrake nach. Pulpo mit etwas Paprikapulver und grobem Salz. Muscheln gibt es gleich auch noch. Wer braucht denn da noch ein Dreigängemenü?
Für sein Restaurant, verrät er mir, kreiert er ausgefallenere Gerichte. Doch eine einfache Platte mit Herzmuscheln mit etwas Zitrone als Tapa ist für ihn das Maß aller Dinge. Und weil seine Gäste anspruchsvoll sind, müssen natürlich auch die richtigen Getränke her. Besten Cava schicken ihm die Katalanen, besten Brandy die Andalusier, besten Rotwein bekommt er aus Navarra und besten Weißwein von seinen Freunden hier gleich um die Ecke in der Weingegend Rías Baixas. Die Albariño-Traube, weiß Nacho, ist das Maß aller Dinge. Und dann lächelt er: „Tobias, weißt Du, woher die Trauben ursprünglich kommen? Von Euch, Riño ist das galicische Wort für Rhein!”
Es ist schon weit nach 16 Uhr. Mittagessen in Spanien eben. Nacho muss los, aber einen Café Cortado, den gönnen wir uns noch. Wir gucken auf die Fischerboote, gleich trennen sich unsere Wege wieder. Ich lade ihn ein, Ehrensache. Und er verabschiedet sich, wie das Galicier eben machen. Mit einer Umarmung und einem Graciñas (galicisch für Gracias).
Warum kann die Zeit eigentlich nicht mal stehen bleiben, Díos mío!
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