Das terrassenartig kultivierte und bebaute Tal Valle Gran Rey im Westen der Kanaren-Insel La Gomera wird zur einen Seite von imposanten, über 800 Meter hohen Steilwänden eingerahmt. Zur anderen Seite erstreckt sich der Atlantik. Herrliche Blicke auf die kleinen Ortschaften Valle Gran Reys ergeben sich somit nicht nur von den Miradores in den Bergen, sondern auch vom Meer aus. Zum Beispiel von einem der Whale Watching Boote oder – die etwas sportlichere Variante – aus einem Kanu…
Als zunächst sehr gemächlich und entspannt, ab einem gewissen Moment aber auch als extrem aufregend und auf alle Fälle unvergesslich habe ich eine rund 3-stündige Kajaktour entlang der Küste von Valle Gran Rey erlebt.
Los geht es um 15 Uhr, bei herrlichem Sonnenschein und knapp unter 30°C, am Hafenstrand von Vueltas. Dort hat Oliver – bei den deutschen Bewohnern im Tal einfach nur “Kanu-Olli” genannt – bereits zwei leuchtend gelbe Einer-Kajaks startklar gemacht. Der sympathische Mittfünfziger ist vor einigen Jahren aus Hessen nach La Gomera ausgewandert und betreibt seither das kleine Unternehmen “Kajaktours La Gomera”. Darüber vermietet er in Valle Gran Rey Kajaks und bietet begleitete Kajaktouren an. Nach einer kurzen Einweisung (ich bin erfahrene Paddlerin, daher fällt dieser Part tatsächlich sehr kurz aus. Ungeübten wird die Paddeltechnik selbstverständlich zunächst ausführlich erklärt) entscheiden wir uns für die heutige Route: “Aus dem Hafen heraus und rechts herum” bis zur Playa del Inglés soll es gehen.
Der Start ist einfach: Ich setze mich in das im Sand liegende Boot und Oliver schiebt mich mit einem kräftigen Schwung ins Wasser. Die ersten Paddelschläge führen zwischen den im Hafenbecken verankerten kleinen Fischerbooten hindurch. Links neben mir ragt die viele hundert Meter hohe Steilklippe empor. Das Wasser ist spiegelglatt, das Boot liegt gut und lässt sich wunderbar steuern. Ich freue mich auf die vor uns liegende Tour.
An der Hafeneinfahrt biegen wir rechts ab. Schnell merke ich, dass wir uns nun vor der schützenden Kaimauer befinden – denn das Wasser wird etwas welliger. Aber immer noch so, dass es sich sehr entspannt und völlig gefahrlos paddeln lässt.
Wir steuern die Boote relativ nah an der Küste entlang und genießen dabei den Blick vom Wasser aus auf die Appartementhäuser und Straßen, die ich bislang nur von der Landseite aus kenne. Immer wieder legen wir eine kleine Pause ein, lassen uns treiben und unsere Beine rechts und links ins Wasser baumeln. Dann geht’s gemächlich weiter Richtung La Playa, wo wir aus einiger Entfernung das Treiben am Strand betrachten.
Ca. 20 Minuten später haben wir die Klippen westlich des Örtchens La Playa umrundet und blicken aus sicherer Entfernung , mit ausreichend Abstand zur heftigen Brandung, auf unser Etappen-Ziel: den schönen Strand Playa del Inglés. Hier tummeln sich viele Sonnenanbeter; einige trauen sich auch ins Wasser – aufgrund der starken Wellen und Strömungen an diesem Strand ist das allerdings nicht ganz ungefährlich und man sollte keinesfalls zu weit hinausschwimmen. Zu viele Unglücke sind hier in den letzten Jahren leider schon geschehen…
Nach einer kurzen Pause treten Oliver und ich den gemütlichen Rückweg an. Allerdings nun mit etwas größerer Entfernung zum Ufer. Immer wieder lassen wir uns treiben, erfrischen uns mit den Füßen im Wasser, genießen das leichte Schaukeln des Bootes und quatschen. Oliver erzählt mir gerade, dass er vor ein paar Jahren bei einer Paddeltour sogar mal einen Hai gesichtet habe… Die Geschichte hört sich im Nachhinein zugegebenermaßen unglaublich an, aber just in diesem Moment – ungefähr auf Höhe von La Playa – erblicke ich in größerer Entfernung hinter Oliver eine Flosse. Ich traue meinen Augen kaum, blinzel, schaue nochmal: tatsächlich, ganz eindeutig eine dreieckige Rückenflosse! Ich mache Oliver aufgeregt darauf aufmerksam und er bestätigt meine Vermutung: Hai in Sicht!
Blitzschnell nehmen wir wieder eine aufrechte Paddelposition ein (Beine im Wasser baumeln lassen fanden wir plötzlich beide nicht mehr die beste Idee) und sind uns einig: Wir wollen den Hai aus näherer Entfernung sehen. Also paddeln wir los, in einem ordentlichen Tempo, die Rückenflosse immer im Auge behaltend. Auf einmal verlieren wir sie aus dem Blick. Ein paar Sekunden später taucht sie wieder auf – nun wirkt sie deutlich größer. Ob es daran liegt, dass wir dem Hai nun viel näher sind, oder ob es sich um mehrere Haie handelt, können wir uns im Nachhinein nicht erklären.
Ich zücke meine Kamera und Oliver nähert sich dem Hai von rechts in der Hoffnung, dass dieser dann in meine Richtung weiter schwimmt. Der Plan geht auf: Die Flosse kommt mir immer näher. So nah, dass ich vor Aufregung leider die Kamera falsch herum halte und den Auslöser nicht finde. Ich schätze, es sind maximal nur noch 8 Meter zwischen dem Hai und mir in meinem plötzlich viel zu winzigen Kajak. Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf (“Verwechseln Haie vor Australien Surfbretter nicht gern mit Robben? Hat ein Kajak nicht eine sehr ähnliche Form wie ein Surfboard?”), mein Herz rast und meine Hände zittern. Der Augenblick dauert nur wenige Sekunden, dann dreht der Hai ab und entfernt sich genau so schnell, wie er gekommen ist. Erst dann schaffe ich es, einige “Beweisfotos” zu knipsen.
Noch ein paar Minuten können wir den Hai mit unseren Blicken verfolgen, dann verschwindet er in zu großer Entfernung. Um was für eine Hai-Art es sich wohl handelte? Ein paar Tage später höre ich von Fischern, dass derzeit in Ufernähe ungewöhnlich viele Hammerhaie gesichtet werden. Sollte sich unter den Lesern dieses Artikels ein Hai-Experte befinden, der die Rückenflosse identifizieren und einer Hai-Art zuordnen kann: bitte melden!
Oliver und ich sind jedenfalls happy: Die ohnehin schon sehr schöne Kajaktour wurde gekrönt mit diesem eher seltenen und wirklich unvergesslichen Erlebnis. Wir paddeln relativ zügig zum Hafen zurück und beenden unsere Tour. Nicht jedoch ohne uns für die nächsten Tage zu einer weiteren gemeinsame Paddeltour zu verabreden: Diesmal dann “am Hafen links herum” bis zu einer der kleinen Buchten, und zwar ausgestattet mit Schnorchelausrüstung. Wer weiß, was unter Wasser noch so auf uns wartet…
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