Im dritten Teil meiner Tour der Erinnerungen an die „guten, alten Zeiten“ ist die letzte Station meiner Reise durch Portugal die Algarve. Hier treffe ich Sabine und Paulo, die an der Küste Ferienwohnungen vermieten.
Zum 2. Teil der Story – Lissabon: Hippster in der Pinkstreet
Algarve: Der Infante auf Instagram
Goldgelb, feuerrot und ultra-violett: Der Sonnenuntergang an der Südwestspitze Europas ist ein Naturschauspiel, das unter die Haut geht. Am Himmel und auf der Oberfläche des Atlantiks zaubert die Sonne eine fantastische Farbshow, die ich 70 Meter über dem Meer bei Sagres am Cabo de São Vicente erlebe. Das Kap ist seit der Steinzeit ein heiliger Ort, in der Antike war das „Promontorium Sacrum“ das Ende der Welt.
Zum ersten Mal war ich hier Anfang der 1990er Jahre. Am Kap des heiligen Vinzenz, auf dem ein Leuchtturm bis zu 32 Seemeilen lange Lichtkegel in den Ozean schleudert, und auf dem Felsplateau mit der „Fortaleza de Sagres“, wandelte ich auf den Spuren von Heinrich dem Seefahrer, dem „Infante Dom Henrique“, der ab 1418 die Westküste Afrikas erkunden ließ und das Zeitalter der Entdeckungen einleitete. Das 40 Meter hohe Plateau war bei meinem ersten Besuch frei zugänglich, das Tor der Festung stand Tag und Nacht offen. Zum Sonnenuntergang traf man hier ein paar Angler, die hart an der Steilkante balancierten, und Surfer, die ihre VW-Busse im Windschatten der Kuppelkirche Nossa Senhora da Graça parkten und zu Nirvanas „Nevermind” Joints rauchten. Ich war weder Angler noch Surfer und drehte nachdenkliche Runden um die „Rosa do Mar“ (Windrose), einen geheimnisvollen Steinkreis mit einem Durchmesser von 43 Metern, der aus der Zeit des Infante stammen soll.
Die Festung von Sagres war bereits zu jener Zeit ein Nationalheiligtum, doch bis auf ein paar verwitterter Gemäuer gab es nicht viel zu sehen. Heute bezahlt man Eintritt, die Steilwände sind durch Geländer geschützt, es gibt Infoschilder in drei Sprachen sowie das spiralförmige Türmchen „Voz do Mar“, das sich über einer 50 Meter tiefen Grotte erhebt und in dem die Stimme des Meeres in einem Auditorium zu hören ist. Die Fortaleza de Sagres, in der zur Saison 2021 ein Multimedia-Zentrum eröffnet werden soll, ist das meistbesuchte Baudenkmal südlich von Lissabon. Der Sunset am Cabo de São Vicente ist Kult, perfekt für die Selbstinszenierung auf Instagram, wo auch der Infante Dom Henrique seine eigenen Hashtags hat.
Auf dem Weg zum Auto komme ich am Imbisswagen „Die letzte Bratwurst vor Amerika“ vorbei. Ich wundere mich über meine Landsleute, die in Portugal deutsche Wurst essen, und fahre nach Lagos. Dort bin ich bei Sabine und Paulo zu Gast. Sabine stammt aus dem Schwarzwald, lebt aber seit fast 30 Jahren in Lagos. Paulo stammt aus Lissabon, kreuzte in jüngeren Jahren als Schiffssteward durch die Karibik und managt heute ein kleines Imperium aus Hotels und Ferienwohnungen.
Auf der Terrasse ihres Traumhauses verkosten wir einen brillanten Rotwein aus dem Dourotal und schauen in den Sternenhimmel. Ich schwärme von alten Zeiten, aber Sabine und Paulo versichern, dass die Algarve nichts von ihrer Schönheit eingebußt hat. Im Gegenteil: Sie berichten von neuen Wegen für Wanderer und Radfahrer, die von der Westküste bis zum Grenzfluss Guadiana führen und durch die schönsten Ecken im hügeligen Hinterland. Von Naturschutzgebieten, nagelneuen Museen und schmuck restaurierten Altstädten. „An der Algarve will niemand einen Ballermann“, versichert Sabine, eine gut vernetzte Touristikerin, die es wissen muss.
Am nächsten Morgen fahre ich auf der Algarve-Autobahn „Via do Infante“ von West nach Ost, um einige der empfohlenen Orte zu besuchen. In Alvor wandere ich vom elfenbeinfarbenen Sandstrand auf kilometerlangen Holzbohlenwegen bis zur Ría de Alvor, in der sich der Gebirgszug Serra de Monchique spiegelt und verschiedenste Arten von Wasservögeln leben. In Portimão esse ich am Ufer des Rio Arade Sardinen vom Holzkohlegrill und besuche das städtische Museum, das in einer ehemaligen Konservenfabrik liegt. Den Rest des Tages verbringe ich in Faro. Die Hauptstadt der Algarve hatte schon früher einen sympathischen Eindruck auf mich gemacht. Mehr jedoch nicht. Bis auf den kleinen, von Palmen gesäumten Sportboothafen und ein paar schmucke Stadtpaläste gab es nicht viel zu sehen, die Gassen rings um die Kathedrale boten ein Bild der Verwahrlosung.
Fast dreißig Jahre später trete ich durch das Stadttor Arco da Vila und bin sofort begeistert: Die Fassaden der alten Häuschen leuchten weiß wie Schnee, nette Terrassencafés laden zum Verweilen ein und im beeindruckenden Renaissance-Kloster Assunção (Museo de Faro) erfreue ich mich an einem wunderbar erhaltenen römischen Mosaik. Auch hier, mitten in der Altstadt von Faro, finde ich einen tollen Platz, um den Sonnenuntergang zu genießen. Er liegt auf der Dachterrasse von „ArQuente“, einem Kulturverein mit Galerie und Veranstaltungsbühne. Heute gibt es Livemusik. Während ich der Stimme einer jungen Sängerin lausche, schweift mein Blick über die weitverzweigte Lagune des Naturschutzgebietes Ría Formosa, die in sattes Orange getaucht ist. Mit diesem Ausblick lasse ich den letzten Tag meiner Reise durch Portugal ausklingen.