Ob es am Märchen vom Kalif Storch liegt, das ich als Kind so liebte? Oder an den Familienferien im österreichischen Burgenland, wo ich als kleines Mädchen in der Storchenstadt Rust fasziniert die wagenradgroßen Nester auf Hausdächern und Kaminen bestaunte? Störche jedenfalls haben es mir angetan. Als ich vor elf Jahren nach Portugal zog, dachte ich allerdings nicht an Störche. In Lissabon und Cascais gab’s nämlich keine zu sehen.
Eines schönen Tages aber fuhren wir an die Algarve. Wir wählten ganz bewusst nicht den schnellen Trip über die Autobahn, sondern „zockelten“ über die Landstraße. Ein kleiner Tipp für alle, die in Lissabon ankommen und ein wenig Zeit mitbringen: Fahre über die Brücke Vasco da Gama auf der A 2 Richtung Süden. Und nimm dort die Ausfahrt Setubal und dann dort die Fähre nach Tróia/Comporta. Fahre dann gemütlich über die N 261 und die N 120 an die westliche Algarve. Das dauerte zwar länger, aber die wunderschöne Strecke lohnte sich. Wir sahen „Portugal von innen“: kleine Dörfer und verträumte Städtchen; Kiefernwälder, Korkeichen und Reisfelder; fast menschenleere, traumhafte Sandstrände. Und Störche. Überall Störche! Sie begleiteten unseren Weg in den Süden – den Alentejo hindurch, von der Costa Vicentina bis zur Algarve.
Störche in den Klippen
In Comporta staksen sie in den Reisfeldern umher. Sie nisten auf verkrüppelten Bäumen im Landesinnern, ja sogar direkt am Cabo Sardão – der weltweit einzigen Stelle, an der Störche in den Klippen am Meer leben. Die Nester sind echte Baukunstwerke, zwei Meter hoch und bis zu zwei Tonnen schwer. Meister Adebar schafft das locker, trotz des stetigen Atlantikwinds in Stärke sechs bis acht. Auch an der Algarve gehören Störche einfach dazu: Ihre Nester finden sich auf alten Backsteinkaminen und Hausdächern, auf Straßenlampen und Kirchtürmen.
Das Storchendorf
Als ich dann vor gut drei Jahren in den portugiesischen Süden zog, fand ich endlich mein „eigenes“ Storchendorf: Rasmalho liegt direkt an der Straße von Portimão nach Monchique (N 266). Kurz vor dem Ortseingang sieht man rechts und links von der Straße unzählige Nester, bis weit ins Hinterland. Alle sind bewohnt, in allen klappert im Frühjahr der Nachwuchs – mindestens eines, oft auch zwei Junge. Unermüdlich werden sie von Papa und Mama Storch gefüttert.
Ein paar Wochen später beginnen die ersten Flugstunden. Bei jeder Einkaufsfahrt nach Portimão halte ich hier an und schaue einfach zu, wie sich die kleinen Störche erst zaghaft, dann immer mutiger aus dem Nest trauen, unsicher zu Boden segeln, sorgsam bewacht von den Eltern. Wie sie langsam flügge werden, immer größere Kreise ziehen und sich sogar ins Mündungsgebiet des Ria Arade trauen und gemeinsam im Brackwasser nach Fröschen und anderen Leckereien stochern. Hunderte von Jungstörchen kann man dort sehen und in Rasmalho beim Flugtraining beobachten. Irgendwann im Spätherbst sind sie alle verschwunden. Die Eltern allerdings überwintern hier in Portugal.