Am Freitag titelten die deutschen Medien etwas einmaliges – weltweit. Es ging um die Delta-Variante, die offensichtlich vor allem in Lissabon grassiert.
Jetzt bin ich als Touristik-Unternehmer, gebeutelt durch Corona wie alle anderen Touristikunternehmen, sicherlich nicht der Objektivste. Gehöre ich doch obendrein zu den ganz wenigen, die einen bedeutend hohen Umsatzanteil „mit Portugal“ haben. Ich möchten dennoch Fakten liefern und zeigen.
Delta-Variante in Lissabon: Wie ist die Lage wirklich?
Fakt eins: Ja, in Portugal gibt es Fälle der (indischen) Delta-Variante.
Fakt zwei: Ja, die portugiesische Regierung hatte kurzfristig beschlossen, dass Einwohner der „Metropolregion Lissabon“ dieses Wochenende (von Freitag, 15h bis Montag, 06h) ihre Region nicht verlassen dürfen und eine Einreise dahin auch untersagt ist. Ausgenommen von diesem Reiseverbot sind all die, die von oder nach Lissabon fliegen. Und all die, die dort nicht ihren Wohnsitz haben, aber z.B. eine Unterkunftsreservierung nachweisen können. Kurzum: deutsche Touristen betraf das Verbot nicht.
Gerne zitiere ich den Gesetzestext, was in der Metropolregion Lissabon dieses Wochenende erlaubt ist, was nicht:
„Área Metropolitana de Lisboa (AML)– pela sua situação epidemiológica é prevista uma proibição de circulação de e para a AML entre as 15h00 do dia 18.06 e as 06h00 do dia 21.06 Sem prejuízo das excepções previstas no artigo 11 do Decreto 9/2020 de 21.11, que são: Alínea g) às deslocações necessárias para saída do território nacional continental Alínea h) às deslocações de cidadãos não residentes para locais de permanência comprovada“ (Quelle)
So gab es eine Pressekonferenz der Regierung, in der unter anderem über die steigenden Corona-Zahlen, vor allem im Umland von Lissabon berichtet wurde und dass die Delta-Variante auf dem Vormarsch ist. Tags darauf kamen in Deutschland erste Schlagzeilen zu diesem Thema. Kaum titelte die erste Zeitung „Delta-Variante: Lissabon abgeriegelt“, machte diese Schlagzeile ihren Lauf. Selbst touristische Fachmedien in Deutschland titelten: „Portugal riegelt Hauptstadt Lissabon ab“! Schwierig, so eine Nachricht an Reisebüros und Co. zu verbreiten, die sicherlich ihren Kunden immer objektiv erzählen möchten, was denn wirklich Sache ist (siehe oben). Diese Überschrift wurde dann, nachdem ich diesem Fachmedium die Gesetzeslage erklärte, geändert in „Reiseverbot für Portugals Hauptstadt Lissabon“. Immerhin.
Wie zeigt sich das Infektionsgeschehen in Portugal aktuell?
Nun steigen die Zahlen in Portugal ja wieder, unbestritten. Wir veröffentlichen die Inzidenzen nach Region in Portugal täglich auf unserer Website.
Und ja, auch in Portugal ist die Delta-Variante angekommen. Gestern Abend wurden diese Zahlen (wie jeden Freitag einmal wöchentlich in Portugal) dann veröffentlicht (zur Info: auch Deutschland veröffentlicht solche Zahlen einmal wöchentlich, allerdings mittwochs). Hier kann man sie nachlesen.
Es folgt die Übersetzung der “monitorização das linhas vermelhas” mit deepl:
- Die Zahl der neuen Fälle von SARS-CoV-2/COVID-19-Infektionen pro 100 000 Einwohner, die in den letzten 14 Tagen kumuliert wurden, betrug 105 Fälle, mit einer steigenden Tendenz auf nationaler Ebene.
- Der Rt-Wert liegt landesweit (1,14) und in allen Gesundheitsregionen über 1, was auf einen steigenden Trend hindeutet. Dieser steigende Trend ist in der Region Lissabon und Tejo-Tal (LVT) mit einem Rt von 1,20 stärker ausgeprägt.
- Wenn diese Steigerungsrate beibehalten wird, beträgt die Zeit bis zum Erreichen der 14-tägigen kumulativen Inzidenzrate von 120 Fällen/100.000 Einwohner weniger als 15 Tage für die nationale Ebene und in der Region Algarve, und dieser Schwellenwert wurde bereits in LVT überschritten, das die 14-tägige kumulative Inzidenzrate von 240 Fällen pro 100.000 Einwohner in weniger als 15 Tagen überschreiten könnte.
- Die tägliche Anzahl der COVID-19-Fälle, die auf den Intensivstationen (ICUs) des Kontinents aufgenommen wurden, zeigte einen steigenden Trend und entsprach 36 % (letzte Woche 29 %) des definierten kritischen Wertes von 245 belegten Betten.
- Auf nationaler Ebene lag der Anteil der positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen bei 2,3 % (letzte Woche 1,3 %), was weiterhin unter, aber näher am definierten Schwellenwert von 4 % liegt. Die Anzahl der in den letzten sieben Tagen durchgeführten Tests auf SARS-CoV-2 ist gesunken.
- Der Anteil der bestätigten Fälle, die mit einer Verzögerung gemeldet wurden, lag bei 9,6 % (letzte Woche 7,5 %) und blieb damit unter, aber sehr nahe an der 10 %-Schwelle.
- In den vergangenen sieben Tagen wurden 83 % der SARS-CoV-2/COVID-19-Infektionsfälle innerhalb von 24 Stunden nach der Meldung isoliert, und 78 % ihrer Kontaktpersonen wurden untersucht und isoliert.
- Die Alpha-Variante (B.1.1.7 oder assoziiert mit Großbritannien) war im Mai die dominante Variante, und es wird geschätzt, dass sich die Delta-Variante (B.1.617.2 oder assoziiert mit Indien) in den kommenden Wochen mit ihr überschneiden könnte.
- Vom ersten Auftreten bis zum 16. Juni waren 157 Fälle des Delta-Stammes identifiziert worden. Es gibt eine gemeinschaftliche Übertragung dieser Variante, am deutlichsten in der LVT-Region (77,7%)
- Vom ersten Auftreten bis zum 16. Juni wurden 113 Fälle der Beta-Variante (B.1.351 oder in Verbindung mit Südafrika) durch Laborbestätigung identifiziert. Es gibt eine gemeinschaftliche Übertragung dieser Variante.
- Vom ersten Auftreten bis zum 16. Juni wurden 146 Fälle der Gamma-Variante (P.1 oder in Verbindung mit Manaus, Brasilien) durch Laborbestätigung identifiziert. Für diese Variante gibt es eine Geräteübertragung.
- Die Analyse der verschiedenen Indikatoren zeigt eine gemeinschaftliche Übertragung des SARS-CoV-2-Virus mit zunehmender Intensität und Druck auf die Gesundheitsdienste, insbesondere in der LVT-Region.
- Angesichts der erhöhten Häufigkeit der Delta-Variante, wahrscheinlich mit größerer Übertragbarkeit, dem erwarteten Zeitintervall zwischen dem Anstieg der Anzahl der Infektionen und der Anzahl der Aufnahmen auf der Intensivstation, dem zunehmenden Trend der verschiedenen Indikatoren auf nationaler Ebene und ihrer Annäherung an die Schwellenwerte der “roten Linien”, sollte der Entwicklung der Inzidenz-, virologischen und Auswirkungsindikatoren sowie der erhöhten Bereitschaft der Ressourcen auf regionaler und subregionaler Ebene zur Kontrolle und Abschwächung der Epidemie in Portugal größere Aufmerksamkeit geschenkt werden, insbesondere in der nicht geimpften Bevölkerung oder in der Bevölkerung ohne vollständiges Impfschema.
Vielen Dank hier für die Hilfe und Unterstützung von Christina Zacker und Simão Caetano.
Die Pandemie ist nicht vorbei
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich noch eins loswerden: die Pandemie ist nicht vorbei. Schauen Sie sich die das folgende Diagramm an:
Hier habe ich relevante Mittelmeerländer wie Spanien, Italien, Griechenland, Türkei, Tunesien, Zypern plus Portugal eingegeben. Noch Anfang des Monats war Portugal (was die Covid-Fälle betrifft) das sicherste Land all dieser. Anfang Mai war es dies im Übrigen mit großem Abstand.
Anbei noch zwei Quellen:
- Auf Twitter findet man mit den Hashtags #portugal und #delta deutsche Medien, ein paar ausländische Twitter-User zitieren ebendiese deutschen Medien.
- Hier eine Übersicht der Medien mit drastischen Überschriften
Hoffen wir alle, dass Lissabon und Portugal (sowie alle anderen auch) verschont bleiben!