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Azulejo Museum Lissabon – auf den Spuren von Portugals berühmter Fliesenkunst

Azulejo in Lissabon Museum

Es gibt Orte in Lissabon, die sind so schön, da passt einfach alles zusammen. Zu diesen speziellen Orten gehört das Nationale Museum für Fliesenkunst Museu Nacional do Azulejo auf jeden Fall dazu. Hier erfahren Besucher alles über Portugals berühmte Azulejos.

Anfahrt zum Azulejo Museum in Lissabon

Man nimmt den Bus. Am besten steigt man ein am Prachtplatz Praça do Comérçio. Die richtige Haltestelle ist die letzte rechts am Ost Eck auf dem Platz mit Blick auf den Triumphbogen Augusta, der Eintritt in die elegante Baixa gewährt. An der Haltestelle links daneben drängeln Menschen, bereit, sich den Einstieg in die emblematische eléctrico Straßenbahn mit den Ellenbogen zu erkämpfen. Kaum am gläsernen Terminal vorbei, löst sich das Menschenknäuel auf. Anstatt Oui, Yes, oder Nein, hört man nur noch sim, pois, und olá. An dieser Haltestelle warten Portugiesen auf dem Heimweg auf den Bus Nummer 728 Richtung Portela, oder Nummer 759 Richtung Estação Oriente, zum Orient Bahnhof im Parque das Nações Viertel im ehemaligen Weltausstellungsgelände fährt.

Die Busfahrt zum Museum für Fliesenkunst dauert etwa eine Viertelstunde. Die Route folgt dem Ufer des Tejo mit Ausblick auf den Überseehafen sowie auf das Nationale Pantheon, führt durch die Werft am Containerhafen zum alten Hauptbahnhof Santa Apolónia und hält ein Stück weiter direkt gegenüber einer der emblematischsten Kirchen von Lissabon. An der Igreja de Madre Deus.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Bushaltestelle sticht das kunstvolle steinerne Portal der Kirche sofort ins Auge. Aber es ist verschlossen. Gleich rechts daneben steht dafür ein hohes schmiedeeisernes Tor offen. Durch einen Vorhof gelangt man unter einer prächtig blühender Bougainvillea zum Eingang des Museums.

Bougainvillea vorm Museum

Rundgang durch das Azulejo Museum

Das moderne Foyer mit Azulejo Boutique und großem Patio, in dem ein Kaffee, mit Garten, Goldfischteich und Bananenpalmen zu einer späteren Pause zu Kaffee und selbstgebackenen Kuchen einlädt, versteht sich als Schleuse in das frühere Klarissen Kloster, in dem seit 1958 die bedeutendste Sammlung portugiesischer Azulejos ein zu Hause finden. Fayencen aus über tausend Jahren Kunstgeschichte zeigen anschaulich die Entwicklung bis zur Gestaltung der bunten glitzernden Steine, die der Fliese ihren lautmalerisch poetischen Namen Azulejo gaben.

Im unteren einstigen Kreuzganghof im Kloster öffnen Arkadenportale den Zugang zu den Ausstellungsräumen, die nach Jahrhundert und Kunstepoche gegliedert, Fayence Kunst von Iberomaurisch im 9. Jahrhundert bis zum Jugendstil im 20. Jahrhundert zeigen. Die Struktur als solche ist allein schon spannend, aber noch spannender wird sie durch die Fliesenbildschätze, die sich im Inneren der Madre Deus Kirche verbergen, in die man am hinteren rechten Eck im Kreuzgang gelangt. Rechts neben dem Eingang liegt eine Kammer, in der einst die Gründerin des Klosters bestattet lag. Königin D. Leonor von Portugal. Ihr ist es zu verdanken, dass im gesamten Land seit Beginn des 16. Jahrhunderts gemeinnützige Stätten Notleidenden halfen und heute immer noch helfen.

Die Kirche Igreja de Madre Deus ist das Mutterhaus des Klarissen Ordens in Portugal und bewahrt, neben anderen, eine Reliquie der heiliggesprochenen Aukta von Köln in einer ihr geweihten Seitenkapelle auf. Die Geschichte der Aukta beginnt am Kölner Dom, einzelne Stationen ihres Martyriums kann man auf prächtigen Fliesenpaneelen entlang der Wände im Langschiff betrachten.

Über eine Treppe erreicht man den ersten Stock und die obere Etage im Kreuzganghof des ehemaligen Klosters. Die Treppe führt innen durch das mehrflügelige Gebäude und das manuelinisch-neo-maurisch inspirierte Atrium mit seinen geometrisch verspielten Fliesen an der Seitenwänden. Im Treppenhaus überwiegen barocke Motive aus der Blumen und Tierwelt die Darstellungen auf den blau weiß gefliesten Wände.

Fliesen an den Seitenwänden - weiße Fliesen mit blauen Mustern

Im zweiten Stock gelangt man in den Santo António-Saal der Kirche, den Hohen Chor, sowie andere Nebenräume, und stößt überall auf kostbare Sakralkunstgegenstände, betritt die Reliquien Kapelle und staunt über die antike Gemälde Galerie an Decke und Wänden.

Unterwegs von Stockwerk zu Stockwerk, von Saal zu Saal, leitet der kunsthistorische Faden der Exponate den Besucher von der sogenannten Mudejer Kordelkunst bis zur Majolika Technik durch mehrere Jahrhunderte Werkstatterfahrung und zeigt aus jeder Epoche ausgewählt, ausgesucht ästhetische Raffinesse. Antike Sevillana Fliesen aus Sevilla, Malaga, Toledo oder Valencia, wurden mittels Kordeltechnik gestaltet. Die Farben durften beim Brennvorgang nicht ineinanderfließen, wollte der Künstler präzise gleiche Muster schaffen. Die feine Kordel auf die von Hand geformte Grundfliese aus Tonerde gepresst, schuf Rillen und Mulden als natürliche Barriere. Die Kordel wurde abgelöst von Schablonen aus Holz oder Metall, mit denen der Kunsthandwerker endlos viele gleich aussehende Fliesen herstellen konnte, indem er die Muster Schablone in die noch weiche Tonerde.

Einmal als spätere Fliese aus roter Tonerde ausgestochen, muss die Erde zunächst einige Wochen an frischer Luft aushärten, bevor ihr der Künstler mit Wasserfarbe, angereichert mit Kupferoxid und anderen Mineralspuren farbig auf die Oberfläche rückt.

Fliesen werden gefärbt - Hier weiß. Orange, grün, blau zu sehen

Die größte Innovation in der Azulejo Kunst geschah im Laufe des 16. mit Übergang zum 17. Jahrhundert, als man dank des Wissens italienischer und flämischer Fayence Mestre, Kobaltblau in unterschiedlichsten Blau Nuancen zu verwenden schaffte. Mit einer cremeweißen Grundfarbe auf der gehärteten Fliese, war die Voraussetzung für eine spiegelglatte Oberfläche nach dem Brennen geschaffen. Auf diese Fläche konnte der Künstler erstmals malen. Bilder und Szenen als Einzelfliese oder als zusammengesetztes Mosaik für große Flächen kreieren. Die so vorbereitete Oberfläche verschmolz beim Brennen zu einem strahlend glatten Azulejo.

Von da an produzierte Portugal selbst Fliesen. Die Motiv Vielfalt explodierte. Jedes Unternehmen glänzte mit eigenen Kreationen, der Wettkampf um gut bezahlte Aufträge war hart. Die Majolika Technik verhalf Portugal zu seiner landesweiten Fliesenbildergalerie.
Facettenreich verspielt fand mit Majolika der Barock überproportional dargestellt, dramatisch stilvoll inszeniert im Rokoko, religiös strukturiert als biblische Szene, heroisch in Licht und Schatten gesetzt mit Bildern aus Eroberungszügen und der Entdeckerepoche aus Portugals Zeitgeschichte, als Mosaik zusammengesetzt Ausdruck. Von da an galten Azulejos als Statussymbol.

Der Rundgang im Azulejo Museum endet bei der zeitgenössischen Umsetzung der uralten Kunst mit glitzernden Steinen und zeigt Art déco, naturalistisch plastisch gearbeitete Fayencen, Jugendstil, geometrische Spielarten sowie filigran gestaltete Glasur Gemälde mit Pop Art Charakter. Porträts, Landschaften, Stillleben, – der Fantasie ist keine Grenze gesetzt. Majolika macht gestalterisch alles möglich.

Eine ruhige Hand braucht man immer. Früher wie heute. Auf der quadratischen Fläche von 14 x 14 Zentimeter Größe ist wenig Platz für Fehler. Jeder Strich mit feinem Haarpinsel zählt. Vor allem die Übergänge von einer Fliese zu danebenliegenden müssen stimmen, damit das spätere Mosaik an den Kanten korrekt angepasst werden kann. Wer das einmal ausprobieren möchte, findet dazu spontan im museumseigenen Atelier die Gelegenheit.

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Die Schriftstellerin Catrin Ponciano lebt in Portugal und arbeitet hauptberuflich als Journalistin, Essayistin und Autorin. Die ehemalige Küchenchefin wagte 2006 einen Neuanfang, legte das Messer aus der Hand und nennt seither einen Stift ihr Werkzeug. Ihre Themen umspannen Portugals Kultur und Lebensart. Poncianos Kriminalromandebüt „Leiser Tod in Lissabon“ wurde 2021 mit dem Debütpreis der Stuttgarter Kriminächte ausgezeichnet. Die Reiselektüre „111 Orte in Porto die man gesehen haben muss“ ist ihr dritter 111-Orte-Band – nach „111 Algarve“ und „111 Alentejo“. Die Autorin ist Mitglied im Syndikat für deutschsprachige Kriminalliteratur, im PEN-Berlin, sowie bei der 42er-Autoren. Hier geht's zu ihrer Autoren-Webseite.

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