Neue Etappe, neue Küste: Costa Nova. So heißt das Fischerörtchen bei Aveiro, das Eva Maria Pollmeier im neuen Abschnitt ihres Atlantic-Beach-Clean-up-Projekts ansteuert. Er führt sie nach ihrer Reise durch Spanien nun endlich nach Portugal und stellt sie gleich vor eine Frage: Kann der Strand eines so postkartentauglichen Ortes überhaupt schmutzig sein?
Die rot-, grün- und himmelblau-weiß gestreifte Häuser wirken so, als hätte 70er-Jahre-Waschmittel-Werbeikone Frau Klementine ihr Gewand einmal bei 40 Grad blütenrein gewaschen.
Allerdings hat der Anstrich der Strandhäuser auch eigentlich einen ganz anderen Sinn, als sie einfach nur adrett aussehen zu lassen. Ähnlich wie die kunterbunten Häuschen auf der Insel Burano bei Venedig, sollten die verschiedenen Farben es den Fischern erleichtern, vom Wasser aus, ihre Häuschen wiederzufinden. Denn als Anfang des 19. Jahrhunderts die Hafeneinfahrt Ria de Aveiro eröffnet wurde, gab es bereits einen bebauten Strandabschnitt: die Costa Jacinto. Der neue Strand Costa Nova sollte sich erkennbar von ihm abgrenzen.
Auf dem Fischmarkt im kleinen Örtchen startet Eva zunächst noch eine Rettungsaktion für kleine Strandbewohner. Sie kauft ein Kilo Krebse für fünf Euro und lässt die Tierchen im Sand frei. Und dort findet die Müllsammlerin so einiges: Hinterlassenschaften von Fastfood-Mahlzeiten, Plastiktüten sowie -flaschen und unzählige weitere Dinge. So viele, dass sie einen schwarzen Beutel damit füllen kann und ihre Mission, die Atlantikstrände von Abfällen zu befreien, sehr gut erfüllen konnte.
Auch der nächste Ort den sie ansteuert, Aveiro, bezaubert das One-Woman-Müllsammelkommando mit seinen Häusern. Der Jugendstil hat hier seine Spuren hinterlassen. Ansonsten erinnert der Ort sie ebenfalls ein Wenig an Venedig, und zwar aufgrund der bunten Barken, mit denen die Menschen durch die Kanäle schippern. Allerdings wehen bunte, lange Plastikfäden von den Kanalbrücken. „Keine gelungene Deko“, findet Eva, „wenn man bedenkt, dass sicherlich mancher davon im Wasser landet.“
Einige Bilder auf den Barken befremden Eva: Sie zeigen weibliche Körper mit nacktem Gesäß, die sich nach vorne beugen. „Die sind schon ziemlich frauenfeindlich“, findet sie. Eine portugiesische Freundin klärt sie auf: Die Boote wurden ursprünglich zur Seetangernte benutzt. Wenn die Männer länger unterwegs waren und ihre Frauen nicht sahen, musste die Bilder ausreichen – und die Fantasie. Nach der Bootstour besichtigt Eva das Museum, genießt eine Pause auf der Terrasse davor mit einem Getränk – endlich einmal ohne Müll.
Der wartet dafür an dem langen Sandstrand bei São Jacinto auf sie. Hier waren offensichtlich schon einmal andere Müllsammler am Werk und haben Säcke mit Plastikmüll gefüllt. Nun stecken sie im Sand fest. Eines versteht Eva nicht: Warum haben die Sammler die Säcke wieder verbuddelt? Sie findet eine Antwort: „Wahrscheinlich sind sie liegen geblieben und dann vom Wind mit Sandkörnern bedeckt worden“, vermutet sie. Eva sammelt fünf Beutel voller Müll. Diese mit dem Bollerwagen durch den weichen Sand zu ziehen, bringt die Aktivistin kräftemäßig an ihre Grenzen: „Ich habe wirklich geflucht, innerlich“, erzählt sie. Sie wird trotzdem gehört. Eine spanische Familie bietet ihr Hilfe an. Mutter, Vater und drei Kinder transportieren mit Eva die Müllbeutel zum Container. Die Säcke passen jedoch nicht alle in den Bollerwagen, sind schwer, einer reißt. Eine weitere portugiesische Familie eilt zur Hilfe. Aus der Müllsammelaktion wird ein Akt der Völkerverständigung. Auch über andere Dinge freut Eva sich an diesem Strand: Sie sieht einen kleinen Behälter, in den Besucher ihre Kaugummis werfen können.
Auch in der portugiesischen Metropole Porto hat Umweltbewusstsein seine Spuren hinterlassen – und der Geist der Zeit. Die Stadt ist hip und entsprechend überlaufen. Eine Portugiesin erzählt Eva vom regelrechten „Porto-Boom“, der seit zwei Jahren herrsche – und der Gentrifizierung, die den Bewohnern zu schaffen macht. Unter Kreativität mischt sich ein wenig Dekadenz. Eva entdeckt einen Upcycling-Laden mit dem Namen „Garbags“. Hübsche, weiße Etuis mit bunten Reißverschlüssen warten dort auf Käufer. In ihrem Vorleben waren sie Zahnpasta- und Gesichtscremetuben. Und sie entdeckt Dinge, die kein Mensch braucht: Kleine Sardinendosen mit Jahreszahl, sodass Kunden diejenige mit ihrem Geburtsjahr auswählen können. Am nahegelegenen Stand ist für die Müllsammlerin entsprechend viel zu tun. „Durch den nahegelegenen Fluss Douro wird viel Müll ins Meer gespült“, schildert sie.
Mit der Besichtigung der schönen alten Universitätsstadt Coimbra, ihren Kathedralen und Klöstern, schließt Eva ihre Reise ab. Sie sieht viele junge Menschen, die dort für die Zukunft lernen und es vielleicht einmal besser wissen werden als Generationen zuvor. Nämlich wie man vermeidet, dass ihr Müll in den Weltmeeren landet.