Aveiro ist berühmt für seine gestreiften Häuser am Strand und die bunten Boote auf den Kanälen in der Innenstadt. Weniger bekannt sind die wunderschönen Jugendstilhäuser in Aveiro und Umgebung, von denen ich einige hier auf meinem Rundgang durch die Altstadt von Aveiro vorstellen möchte. Dann geht es weiter mit dem Auto nach Íhavo, zur Vila Africana.
Arte Nova ist die portugiesische Bezeichnung für Jugendstil. Diese Kunstrichtung entstand am Ende des 19. Jahrhunderts und verbreitete sich von Paris ausgehend in Europa. Und so entstanden in Portugal in der Zeit von 1905 – 1920 viele Arte Nova Häuser.
Die Häuser wurden von portugiesischen Rückkehrern gebaut, die in Brasilien reich geworden waren und es sich leisten konnten, derartig aufwendig und verspielt zu bauen. Viele dieser Gebäude wurden später verlassen und verfielen. Doch seit einigen Jahren werden viele Häuser gewürdigt und restauriert, ganz besonders in Aveiro und Ílhavo.
- Eine steinerne Blumenschale mit bunten Blumen auf einem Dach in der Avenida Lourenço Peixoto,
- ein kleiner Pavillon im Parque Infante D. Pedro,
- gelbe Sonnenblumen auf einem Eisengitter…
Jetzt, wo ich anfange, darauf zu achten, sehe ich den Jugendstil in Aveiro überall!
2008 eröffnete die Stadt sogar ein kleines Jugendstilmuseum, das Museu de Arte Nova. Es befindet sich im Stadtzentrum, gegenüber vom Jardim do Rossio, mit Blick auf den Kanal. Dieses Museum ist der beste Startpunkt für einen kleinen Jugendstil-Stadtspaziergang durch Aveiros Altstadt.
Das Museum für Arte Nova
Im Erdgeschoss kann man in der „Casa do Chá“ im Innenhof Tee trinken und abends manchmal live Musik hören. Letzteres hat nichts mit Jugendstil zu tun, ist aber trotzdem schön. In den oberen Räumen wird eine kleine Ausstellung zum Jugendstil gezeigt. Interessanter ist aber das Gebäude selber.
Die vordere Fassade hat Bogenfenster mit Streben, schmiedeeiserne Balkongitter und steinerne Ornamente. Oben auf der Spitze thront ein Adler aus Stein. Bunte Fliesen mit Enten und Seerosen zieren die Wand im Eingang. Diese Fliesen sind ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich der Jugendstil mit einem traditionellen portugiesischen Element verbindet – den bemalten Fliesen.
Ich unterhalte mich mit dem Angestellten des Museums. Er erklärt mir, dass der Jugendstil in Portugal in der Tat mehr Gebäude und Fassaden betrifft als beispielsweise Möbelstücke. Er drückt mir eine kleine Broschüre in die Hand, mit 28 Beispielen von Jugendstilgebäuden in Aveiro. Perfekt, um eine Tour zusammenstellen.
Ich gehe zunächst in Richtung Praça Humberto Delgado und schon nach 100 Metern sehe ich drei Jugendstilhäuser: die „Antiga Cooperative Agricola“, das Gebäude der ehemaligen Landwirtschaftskooperative, daneben das Haus, in dem das „Museu da Cidade“ untergebracht ist, und als drittes die „Casa dos Ovos Moles“. Ovos Moles sind die berühmte süße Spezialität von Aveiro: eine oblatenähnliche Hülle mit einer supersüßen Zucker-Eigelb-Füllung.
Auf der anderen Seite des Platzes, am Anfang der Rua da Coimbra 1-3 befindet sich das Jugendstilhaus „Antiga Sapataria Migueis“. Von dem Platz sieht man auf die “Antiga Capitania”, die wie die Häuser Venedigs direkt über dem Kanal gebaut wurde. Kein Wunder, dass Aveiro oft als „Venedig Portugals“ bezeichnet wird.
Von hier aus gehe ich in Richtung Praça do Peixe. Vorbei an dem Jugendstildenkmal „Monumento A Liberdade“ auf der Praça Melo Freitas, vorbei an der alten Apotheke „Farmácia Ala“. Ich schlendere durch die Gassen zur Praça do Peixe. In der Mitte dieses Platzes befindet sich die alte Fisch-Markthalle, auch ein Jugenstil-Gebäude. Sie ist übrigens immer noch in Betrieb. Und schon bin ich wieder am Museu de Arte Nova, dieses Mal am Hintereingang, dem Eingang zum Innenhof des “Casa do Chá”.
Jugendstil in Ílhavo
Ich fahre weiter nach Ílhavo, denn in der Nachbarstadt von Aveiro befindet sich eines der schönsten Beispiele für Jugendstil überhaupt: die Vila Africana in der Rua Vasco da Gama 105. Gelbe Fliesen stehen im Kontrast zum blau-gestrichenen Eisen. Engels- oder Frauenköpfe wachen an den Hausecken über dem Fenster. Direkt über dem Fenster ein Löwenkopf. Unter dem Dach ein gemalter Fries mit Blumen. Kein Wunder, dass dieses Haus so oft abgebildet wird.
Aber wie kommt das Haus zu diesem Namen? Ich frage meine Freundin in Aveiro. Wahrscheinlich waren die Besitzer Rückkehrer aus Afrika, aber sicher ist sie sich nicht. Am anderen Ende der Rua Vasco da Gama ist das ehemalige Kino „Texas“, das bis in die 80er Jahre in Betrieb war. Was jetzt damit wird, weiß noch keiner.
Ich parke das Auto und gehe in das historische Zentrum von Ílhavo. Hier, in der Rua de João do Deus, wurde aus einem ehemaligen Theater die „Drogaria Vizinhos“, eine Eisenwarenhandlung. Hinter einem Tresen aus Holz sieht man in den ehemaligen Saal, jetzt voller Regale und Waren. Oben an der Wand laufen die Galerien, Camões” steht oben links an der Galerie. Luis Vaz de Camões war der größte portugiesische Dichter, jetzt steht sein Name über Schrauben und Nägeln.
Selbst die Verwaltung von Ílhavo ist in einem Jugendstilgebäude untergebracht, in der Vila Vieira, die top restauriert ist. Es ist, als ob die Stadt ihre vergessenen Schätze entdeckt, und Stück für Stück herausputzt. Und so gehört die Stadt seit 2009 sogar zusammen mit Havanna, Wien und Barcelona zum Resau Art Nouveau Network! Einem globalen Netzwerk, zu dem insgesamt nur neunzehn Städte gehören.