Am 25. April 2024 jährt sich die sogenannte Nelkenrevolution („
Als Dona Mariana am Morgen des 25. April 1974 das Haus verlässt, ist sie in Gedanken mit ihrem bevorstehenden Französischkurs beschäftigt. Der Weg von ihrer Wohnung zur Arbeit ist kurz. Nur wenige hundert Meter trennen das Haus, in dem sie mit ein paar Arbeitskolleginnen lebt, von der „Central Telegráfica e Telefónica de Lisboa” an der Praça Dom Luís. Hier arbeitet sie seit vielen Jahren als Telefonistin in der Abteilung für internationale Anrufe.
Schon von weitem sieht sie die bekannten Gesichter der anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Lissabonner Telefonzentrale, die wie immer unten vor dem Büro stehen und auf ihren Schichtbeginn warten. Doch als sie ihren Blick nach rechts in Richtung der Hauptstrasse wandern lässt, kann im Bruchteil einer Sekunde von Alltag und Routine keine Rede mehr sein. „Ich traute meinen Augen nicht”, sagt die heute 81-Jährige, die fast ihr ganzes Leben in Lissabon verbracht hat. „Auf der Rua 24 de Julho fuhren Panzer. Einer nach dem anderen bahnte sich seinen Weg in Richtung des Hauptplatzes Terreiro do Paço!”
Geheimsignale rufen zum Staatsstreich auf
Ohne, dass viele Bürgerinnen und Bürger etwas davon mitbekommen haben, ist die „Revolução dos Cravos“, ein Militärputsch gegen die autoritäre Diktatur des Estado Novo, bereits seit dem Vorabend in vollem Gange. Mit Hilfe zweier Geheimsignale in Form zweier Lieder (das erste lief am 24. April 1974 um 22:55 Uhr im Radio), werden die aufständischen Truppen des Movimento das Forças Armadas (MFA) zum Staatsstreich aufgerufen. Sie besetzten in Lissabon Rundfunk- und Fernsehsender, den Flughafen und diverse Ministerien. Um 5:55 Uhr, dem Morgen des 25. April 1974, erreicht eine Panzerkolonne den Terreiro do Paço und besetzt den riesigen Hauptplatz (auch bekannt unter dem Namen Praça do Comércio), der damals wie heute viele Ministerien beherbergt. Auch das Rathaus liegt in unmittelbarer Nähe.
„Ich hatte wahnsinnige Angst”, erzählt Dona Mariana. „Der Hausmeister kam zu uns und erklärte, was geschehen war. Ich bin dann direkt reingegangen und habe versucht, meine Familie im Alentejo zu erreichen und meinen Freund, doch die Leitungen waren tot.” Verunsichert und seit Jahrzehnten geprägt von der autoritären Struktur, machen sich die Arbeitskolleginnen trotz aller Umstände auf zu ihrem Französischkurs. „Wir nahmen wie immer den Bus, der tatsächlich fuhr”, berichtet sie. Doch angekommen am Liceo Francés, stehen sie vor verschlossenen Türen. „Was sollten wir tun? Wir waren ratlos und überfordert. Also sind wir wieder zurück zur Telefonzentrale gefahren. Dort wurden wir informiert, dass wir bis 23 Uhr arbeiten müssen.”
Nelken in Gewehrläufen
Die Befürchtung von Dona Mariana, dass der Militärputsch gewaltsam und blutig vonstattengehen würde, bestätigt sich weitestgehend nicht. Am Abend des 25. April 1974 dankt die Regierung ab. Schüsse fallen jedoch, als die Bevölkerung die Stützpunkte der Staatspolizei stürmt. Vier Menschen sterben; die Polizei ergibt sich am nächsten Morgen. Zum internationalen Symbolbild und Namensgeber der Revolution wird die rote Nelke, die die Bevölkerung den Soldaten an ihre Uniformen und in ihre Gewehrläufe steckt.
„Von diesem Tag an war bei der Arbeit nichts mehr wie vorher”, so Dona Mariana. „Zu unserem Schutz und vor allem zum Schutz der Telefonzentrale war ständig Militär anwesend. Sie hatten das Gebäude besetzt und standen den ganzen Tag mit ihren Gewehren hinter uns. Ich erinnere mich noch gut daran, wie einer von den Soldaten zu uns sagte, wir brauchten keine Angst zu haben, die Fenster seien aus Panzerglas. Kein gutes Gefühl war das, ganz im Gegenteil.”
Kleines Land, große Herausforderungen
Die Veränderung und die Verunsicherung, die Dona Mariana im Kleinen erfährt, betreffen im Großen das ganze Land. „Politisch gesehen war die Zeit unmittelbar nach der Revolution von Unsicherheit und Instabilität geprägt. Es gab mehrere provisorische Regierungen, und das Land war gezeichnet von einem Kampf zwischen verschiedenen politischen Kräften – darunter sozialistische, kommunistische und gemäßigt konservative Gruppen”, ordnet Dr. Alexander Rathenau, Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Lagos, die Situation Portugals nach der Revolution ein.
Auch wirtschaftlich steht das kleine Land am westlichen Rand von Europa vor großen Herausforderungen. „Portugal litt unter hoher Inflation, Arbeitslosigkeit und einem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang. Der abrupte Abzug aus den Kolonien führte zu einem Zustrom von Hunderttausenden sogenannten Retornados, portugiesischen Staatsbürgern aus den ehemaligen Kolonien, was zusätzlichen Druck auf die Wirtschaft und die Sozialsysteme ausübte”, so Dr. Rathenau.
Die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs
Genau ein Jahr nach dem Revolutionstag, am 25.4.1975, gibt es in Portugal die ersten freien Wahlen, aus denen die Sozialistische Partei (Partido Socialista) als Sieger hervorgeht. Eine gewisse wirtschaftliche und politische Stabilität beginnt sich allerdings erst nach dem Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1986 abzuzeichnen.
„Die Mitgliedschaft führte zu erheblichen Investitionen in die Infrastruktur und Industrie, was wiederum das Wirtschaftswachstum ankurbelte”, so Dr. Rathenau. „Die 1980er und frühen 1990er Jahre waren eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs – auch, wenn das Land weiterhin mit Problemen wie Arbeitslosigkeit und öffentlichen Defiziten zu kämpfen hatte.”
Die Entwicklung des Tourismus’ in Portugal
Ein Wirtschaftszweig, der heute eine sehr große Bedeutung für Portugal hat, beginnt ebenfalls in den 1980er Jahren an Fahrt aufzunehmen: der Tourismus. „Vor dem 25. April 1974 gab es nur sehr wenige Hotels und Touristen in Portugal”, erklärt Werner Zahn, Gründer des Reiseunternehmens und Portugalspezialisten OLIMAR. „Und auch nach der Revolution wollte zunächst niemand nach Portugal. Bis Mitte der 1980er Jahre gab es ohnehin keine Flüge für Touristen dorthin. Einzige Ausnahme war die Insel Madeira”, so Werner Zahn.
Erst die demokratische Öffnung und die wirtschaftliche Modernisierung des Landes nach der Revolution sowie die Integration in die europäischen und globalen Märkte sorgen dafür, dass sich Portugal nach und nach als attraktives Reiseziel etablieren kann. „Unser Geschäft nahm Ende der 1980er Jahre so richtig an Fahrt auf”, sagt Werner Zahn. Faro war das wichtigste Ziel. „Portugal, insbesondere eben die Algarve, waren neu für die Deutschen. Herrliche Strände, unverbaute Landschaften, das gefiel unseren Kunden. Uns als Reiseveranstalter war es von Anfang an wichtig, eine Art des Reisens zu etablieren, bei der sich Touristen als Gäste eines Landes sehen, das sie entdecken und wertschätzen möchten. Unsere Kunden wollen Reisen, nicht einfach nur Urlaub konsumieren”, so Zahn.
Portugal ist heute ein Magnet für Touristen und Expats
Heute ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschschaftszweige Portugals und spielt eine zentrale Rolle für das Wirtschaftswachstum des Landes. „Portugal hat sich erfolgreich als eine vielfältige Destination positioniert, die eine breite Palette an Erlebnissen bietet – von Strandurlauben über Städtereisen bis hin zu Natur- und Abenteuertourismus. Die steigende Anzahl internationaler Besucher hat zu einem Anstieg der Tourismuseinnahmen geführt, was wiederum in die Verbesserung der Infrastruktur und Dienstleistungen investiert wird”, so Dr. Alexander Rathenau.
Das unglaublich abwechslungsreiche Land am Atlantik hat sich innerhalb von 50 Jahren zu einem der beliebtesten Urlaubsziele Europas entwickelt und zieht seit Jahren auch immer mehr Auswanderer sowie Expats an, die nicht nur das gute Wetter und die Nähe zum Meer zu schätzen wissen, sondern auch den ganz besonderen Lebensstil der Portugiesen.
Dona Mariana ist stolz auf ihr Land und auf die Veränderungen und Hürden, die es in den letzten Jahrzehnten gemeistert hat. „Ich bin heute wie damals, direkt nach dem Ende der Diktatur, unglaublich dankbar für meine Freiheit und für die meiner Familie. Endlich gab es Gewerkschaften und ich musste keine Angst mehr haben, dass mein Bruder erneut nach Angola muss. Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben sind ein hohes Gut, das keiner von uns je unterschätzen sollte.”
OLIMAR Tipp: Das solltet ihr rund um den 25. April 2024 in Lissabon und Umgebung nicht verpassen
In Lissabon und Umgebung finden rund um den 25. April 2024 zahlreiche Veranstaltungen statt, es gibt viele Ausstellungen, Konzerte und Feste. Verpasst nicht das Konzert mit anschließendem Feuerwerk am Vorabend des Revolutionstages auf der Praca do Comércio (24.04.24, ab 22 Uhr). Kulinarische Spezialitäten und Musik erwarten euch auf dem Platz Largo Camões (24.04.24, ab 17 Uhr). Das Highlight ist mit Sicherheit die große Parade über die Avenida da Liberdade, die am Platz Marquês de Pombal startet (15 Uhr) und in Richtung Rossio zieht.
Ihr wollt spontan nach Lissabon reisen und euch dieses Event nicht entgehen lassen? Bei OLIMAR findet ihr garantiert das passende Hotel (mit und ohne Flug).